Pflicht des Gerichts zur Aufklärung von Widersprüchen und zur Prüfung der Vollständigkeit von Sachverständigengutachten von Amts wegen.

Auch beklagter Arzt hat Anspruch auf ordnungsgemäße Befassung des Gerichts mit seinem Vortrag.

Mit Beschluss vom 21.01.2009 nutzte der BGH die Gelegenheit, einige – eigentlich als Selbstverständlichkeit anzusehende – wesentliche Grundsätze nochmals explizit klarzustellen:

– Das Gericht hat im Arzthaftungsprozess Äußerungen medizinischer Sachverständiger kritisch auf ihre Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit hin zu prüfen; dies gilt sowohl für Widersprüche zwischen einzelnen Erklärung des Sachverständigen als auch für Widersprüche zwischen Äußerungen mehrerer Sachverständiger, selbst wenn es sich dabei um Privatgutachten handelt.

– Auch der beklagte Arzt hat Anspruch auf eine ordnungsgemäße Befassung des Gerichts mit seinem Vortrag.

– Eine eigene Sachkunde des Berufungsgerichts ist (grundsätzlich) nicht ausgewiesen und auch nicht anzunehmen.

– Eine Aufklärung des Sachverhalts kann einer Partei im Arzthaftungsprozess nicht deswegen verwehrt werden, weil sie kein dem gerichtlichen Sachverständigengutachten entgegenstehendes Privatgutachten vorgelegt oder einen anderen Sachverständigen nicht benannt hat. Eine diesbezügliche Verpflichtung besteht nicht.

Das Gericht muss demgegenüber rechtzeitigen Vortrag der Behandlungsseite nachgehen und Widersprüche und Unklarheiten in den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen zumindest durch deren nochmalige Anhörung oder auch durch Beauftragung eines weiteren Gutachters (§ 412 ZPO) aufklären. Dabei wurde mit diesem Beschluss klargestellt, dass auch für die Behandlungsseite keine Verpflichtung besteht, zur Substantiierung private Gutachten vorzulegen, was bislang maßgeblich für die Klägerseite anerkannt war (vgl. BGH Urteil vom 8.6.2004 – VI ZR 199/03).