Auch der sachkundigen Partei muss Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden, wenn der gerichtliche medizinische Sachverständige in mündlich erstattetem Gutachten neue und ausführlichere Beurteilungen gegenüber bisherigen schriftlichen Gutachten abgibt. Zur Pflicht zur Berücksichtigung von Privatgutachten.

In einem Fall des BGH, der mit Urteil vom 13.2.2001 entschieden wurde, hatte der gerichtliche Sachverständige nach Vorlage seines schriftlichen Gutachtens in der mündlichen Verhandlung neue und ergänzende Aspekte erläutert. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung wurde seitens der Behandler ein Privatgutachten mit Einwendungen gegen die neuen Ausführungen schriftsätzlich vorgelegt, die vom Berufungsgericht jedoch nicht mehr berücksichtigt wurden.

Der BGH hob die Entscheidung der Berufungsinstanz auf und verwies auf die ständige Rechtsprechung des Senats, wonach das Gericht die Pflicht hat, sich mit von der Partei vorgelegten Privatgutachten auseinander zu setzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken, wenn sich ein Widerspruch zu einem gerichtlichen Gutachten ergibt. Da dies vorliegend durch das nachgereichte Gutachten gegeben war, hätte das Berufungsgericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen müssen, um insbesondere dem gerichtlichen Sachverständigen das Privatgutachten zur Stellungnahme zuzuleiten.

Dies galt nach bisheriger Rechtsprechung bereits im Verhältnis zur medizinisch nicht sachkundigen Partei, der hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu neu aufkommenden medizinischen Aspekten gegeben werden muss, was auch die Ermöglichung einer (internen) sachverständigen Beratung beinhaltet; dieser Grundsatz wurde nunmehr auch explizit auf die Behandlungsseite mit Blick auf die Notwendigkeit der Gewährung rechtlichen Gehörs erstreckt.

Bei dieser Gelegenheit stellte der BGH auch nochmals klar, dass die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auch unabhängig davon, ob die Einräumung einer Schriftsatzfrist beantragt wurde, zu gewähren ist.

Mit diesem Urteil stellte der BGH erfreulicher Deutlichkeit klar, dass die Pflicht zur Ermittlung des wahren medizinischen Ablaufs im Arzthaftungsprozess von Amts wegen in Verbindung mit dem Recht auf rechtliches Gehör sich auch zu Gunsten der Behandlungsseite auswirken kann, namentlich dass es nicht gerechtfertigt ist, der Behandlungsseite auf Grund ihrer medizinischen Fachkenntnisse zuzumuten, unmittelbar im Rahmen der mündlichen Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen abschließend Stellung zu nehmen, vielmehr Gelegenheit zu gegeben ist, eine ergänzende Stellungnahme nachfolgend zur Akte zu reichen, was sodann von Gericht zu berücksichtigen und gegebenenfalls weiter aufzuklären ist, ungeachtet dessen, ob ein Schriftsatznachlass beantragt wurde oder nicht.