Erstreckung Regeln zur Beweislastumkehr infolge groben Behandlungsfehlers auch auf therapeutische Aufklärung (Sicherungsaufklärung)

Mit Urteil vom 16.11.2004 -VI ZR 328/03- hat der BGH seine sich mittlerweile gefestigte Rechtsprechung zur zwingenden Beweislastumkehr nach Feststellung eines groben Behandlungsfehlers auch auf Fälle der sogenannten therapeutischen Aufklärung (Sicherungsaufklärung ausgeweitet.

Im Gegensatz zur Grundaufklärung/Selbstbestimmungsaufklärung stellt die Sicherungsaufklärung eigentlich keinen klassischen Fall der Rechtfertigung des Eingriffs dar; vielmehr bezieht sich die Sicherungsaufklärung auf Belehrungen und Beratungen beispielsweise bezüglich des weiteren Verhaltens des Patienten, jenseits des konkreten Eingriffs. Damit unterfällt die Sicherungsaufklärung auch nicht dem Aufklärungsfehler im eigentlichen Sinne (für den der Arzt die Beweislast hat), sondern dem Behandlungsfehler, den der Patient zu beweisen hat; darüber hinaus ist auch die Kausalität vom Patienten zu beweisen. Dies war auch bislang so.

Im konkreten Fall hatte ein Augenarzt den Patienten, der sich im Rahmen des augenärztlichen Bereitschaftsdienst vorgestellt und auftretende Lichtblitze im Auge angezeigt hatte, nicht darauf hingewiesen, dass dieser sich im Falle der Verstärkung der Symptome unverzüglich in augenärztlichen Behandlung begeben sollte. Diese Unterlassung war als grober Behandlungsfehler zu werten und führe in Fortführung der Rechtsprechung zu einer Umkehr der Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen Fehler und Eintritt des Gesundheitsschadens, wenn die grobe Aufklärungspflichtverletzung geeignet ist, den Schaden zu bewirken; dabei komme es nicht darauf an, ob der Schadenseintritt naheliege oder eine bestimmte Wahrscheinlichkeit erreiche.

Lediglich ausnahmsweise sei die Umkehr der Beweislast ausgeschlossen, wenn ein haftungsbegründennder Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich sei, was vom Arzt zu beweisen sei.

Ebenso sei der Zusammenhang ausgeschlossen, wenn sich nicht das Risiko realisiere, dessen Nichtbeachtung den Fehler zu einem groben Behandlungsfehler machte oder wenn der Patient durch sein Verhalten eine selbständig in gleicher Weise wie der grob fehlerhaft handelnde Arzt zu einer Vereitelung des Heilungserfolgs beigetragen, so dass der Verlauf konkret nicht mehr aufgeklärt werden könne. Auch dies habe jedoch der Arzt zu beweisen, was im streitgegenständlichen Fall nicht gelang.

Somit war der Klage stattzugeben, obwohl nicht festzustellen war, ob nach Vorstellung bei einem Augenarzt zwecks Durchführung einer Kontrolluntersuchung die Netzhautablösung noch zu verhindern oder zumindest abzumildern war, da es hierauf gerade nicht mehr ankam.