OLG Frankfurt Urt. v. 20.12.2005 -8 U 55/04-
Der Krankenkasse, die nach § 116 SGB X Regress beim behandelnden Arzt wegen ärztlicher Behandlungsfehler im Rahmen einer Behandlung des gesetzlich Versicherten nimmt, stehen die gleichen Erleichterungen zu, wie dem Patienten.
Dies hat das OLG Frankfurt mit Urteil vom 20.12.2005 -8 U 55/04- mit einer erfreulichen Selbstverständlichkeit angenommen und der gegenteiligen Annahme der Vorinstanz eine deutliche Absage erteilt.
In dem Fall hatte das LG Gießen die Durchführung einer Beweisaufnahme abgelehnt, da es sich einerseits eigene Fachkunde zur Beantwortung der streitgegenständlichen medizinischen Fragestellungen anmaßte, gleichzeitig von der klagenden Krankenkasse einen Grad der Substantiierung forderte, der nur von spezialisierten Fachärzten zu erbringen war. Selbst vorgelegte Gutachten des MDK, die den klägerischen Vortrag untermauerten, hielt das LG nicht für hinreichend substantiiert.
Das OLG Frankfurt hat dazu festgestellt:
„…die behaupteten Behandlungsfehler (sind) ausreichend substantiiert vorgetragen worden. Da ihre (die Krankenkasse) Mitarbeiter in aller Regel keine Ärzte sind, und diese auch bei der Behandlung ihres Mitglieds nicht zugegen waren, müssen für ihren Vortrag im Wesentlichen dieselben Erleichterungen wie für klagende Patienten gelten.“
Damit hat das Gericht eine eigentlich als Selbstverständlichkeit anzusehende Tatsache deutlich ausgesprochen. Dies war auch notwendig, denn es ist in der Praxis häufig festzustellen, dass die Instanzgerichte gegenüber den regressierenden Krankenkassen erheblich höhere Anforderungen stellen, was weder sachlich, noch rechtlich begründet ist.
Denn zum einen handelt es sich beim Anspruch der Krankenkasse um den nach § 116 SGB X übergegangenen Anspruch des Patienten, so dass nicht nachvollziehbar sein kann, weshalb der Anspruch schwerer durchsetzbar sein sollte, als der nicht zedierte. Zum anderen kann die Krankenkasse die Berechtigung des Anspruchs auch tatsächlich nicht besser beurteilen als der Patient, im Gegenteil ist die Krankenkasse weitgehend sogar auf dessen Informationen angewiesen, so dass sie im Verhältnis zum Patienten die notwendigen Informationen nur aus „2. Hand“ erfährt. Im Übrigen kann sie die Krankenakte exakt ebenso gut lesen wie der Patient.
Die Möglichkeit der Einschaltung des MDK, der für die Krankenkasse eine externe Möglichkeit zur Begutachtung darstellt, ändert an dieser Möglichkeit zur Bewertung ebenfalls nichts; denn diese Möglichkeit steht dem Patienten gleichermaßen offen, wenn er sie denn nur nutzt, was im Ergebnis jedoch allein eine Frage dessen rechtlicher Beratung sowie der Koordinierung des Vorgehens betrifft, also gerade nicht dessen originäre bzw. eigene Erkenntnismöglichkeit. Im Übrigen entspricht es der herrschenden Meinung, dass es dem Patienten nicht zuzumuten ist, vor einer Klageerhebung zunächst ein Gutachten einzuholen (und zwar unabhängig davon, ob dies kostenfrei möglich ist); dann ist nicht ersichtlich, weshalb anderes für die Krankenaksse im Falle des übergegangenen, tatsächlich und rechtlich jedoch identischen Anspruchs gelten sollte.
Das Urteil ist hinsichtlich dieser Klarstellung daher sehr zu begrüßen.